Donnerstag, 15. November 2018

NRW-Landtagsdebatte vom 14.11.2018

Der von der SPD in den Landtag eingebrachte Gesetzentwurf wurde am 14.11.2018 , im NRW-Landtag sehr hitzig debattiert. Die gesamte Debatte kann man sich als Video anschauen.
Das Thema der Straßenbaubeiträge wird ab ca. 2h:12Min debattiert: Video , Dauer ca. 1Std.

Hier, im weiteren eine schriftliche Zusammenfassung von Lydia Schumacher aus Schleiden in der Eifel:

Die Debatte..........



Die Worte des Fraktionschefs der SPD resümiere ich hier deshalb so ausführlich, weil es aus Sicht der betroffenen Bürger nahezu die einzigen wirklich positiven in dieser heutigen Debatte waren. Christian Dahm begründete den Antrag seiner Fraktion zur Abschaffung der Anliegerbeiträge mit dem Aufruhr in der Bevölkerung: unzählige Briefe, Resolutionen, Petitionen würden mittlerweile genau das fordern. Die vor zehn Tagen gestartete landesweite Volksinitiative habe bereits 7.500 Unterschriften gesammelt. Er sei überzeugt, dass das notwendige Quorum von 66.000 Stimmen schnell erreicht sein werde. „Viele verbinden existenzielle Ängste mit dem Ausbau ihrer Straße. Sie erhalten oft hohe Gebührenbescheide, die ein Vielfaches Ihres Einkommens ausmachen. Das KAG nimmt keine Rücksicht auf die finanzielle und wirtschaftliche Situation des Einzelnen.“ Er wies darauf hin, dass in anderen Bundesländern (Berlin, Hamburg, Baden-Württemberg und Bayern) keine Anliegerbeiträge erhoben werden und dass in weiteren Länden auch bereits Volks-Initiativen gestartet wurden. Die Zeit sei reif für eine neue Lösung in NRW. „Straßenbau ist eine öffentliche Aufgabe. Wir lassen doch auch nicht Eltern die Schulen, in die ihre Kinder gerade, bezahlen." In der Mehrzahl der Fälle träfen die Rechnungen aus seiner Sicht die Familien, die Kinder großziehen und die Raten abstottern. Oder Rentner, die Kinder groß gezogen hätten, das Häuschen vielleicht gerade barrierefrei umgebaut hätten und dafür dann noch einen Kredit aufnehmen müssten, den sie aber oft nicht mehr bekämen. Die Ungerechtigkeit, dass Kommunen zwischen 50 und 80 Prozent von Anliegern verlangten, komme hinzu.
Lediglich Roger Beckamp (AfD) sprang der SPD zur Seite und lobte das Vorhaben. Aufgefallen seien seiner Fraktion nur zwei handwerkliche Fehler im Entwurf: Da fehle der genaue Stichtag, zu dem die Beiträge entfallen sollen. Und die Frage, woher das Geld kommen solle, sei unbeantwortet. Nach Beckamps Dafürhalten sei der Antrag der SPD zudem nicht ganz bis zu Ende gedacht. Auch die Kosten für die Erstherstellung solle künftig die Allgemeinheit tragen. Er jedenfalls könne gar keinen Unterschied zur Wiederherstellung einer Straße sehen. Das ist deshalb kritisch, weil der Erstausbau einer Straße ein Grundstück ja tatsächlich wertvoller macht. Bei der Sanierung einer Straße wurde das bislang nicht nachgewiesen, sondern nur behauptet.
Die CDU-Fraktion und auch die zuständige Ministerin Ina Scharrenbach lieferten sich lieber den Schlagabtausch mit der SPD, statt konstruktiv zum Thema beizutragen. Ständig wies man auf den eigenen Antrag aus dem Jahr 2013 zurück, in dem die CDU die Einführung wiederkehrender Beiträge gefordert hatte, und der an der SPD, damals Regierungspartei, gescheitert war. Das strich jeder der CDU-Redner der SPD aufs Butterbrot. Bernhard Hoppe-Biermeyer, kommunalpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag NRW, unterstellte der SPD-Fraktion, sie wolle ihre Popularität erhöhen, das sei die wahre Motivation für diesen Entwurf. Da fehle zudem einiges an Inhalt. Zum Kostenausgleich sei nur zu lesen, dass dazu ein weiteres Gesetz geschaffen werde. Und bei der Kostenrechnung würden Zahlen von 112 bis 127 Millionen genannt, es sei aber nicht ersichtlich, um welche Beträge es sich handele. Tatsächlich handelt es sich dabei um Zahlen der eigenen Ministerin Scharrenbach: so hoch waren laut ihrem Ministerium die Anliegerbeiträge, die jährlich in den vergangenen fünf Jahren geleistet worden sind. Das sei gar nicht die Summe, über die geredet werden müsste, vielmehr habe der Städte- und Gemeindebund „von einer hohen dreistelligen Summe“ gesprochen. Hoppe-Biermeyer wollte von der SPD wissen, ob das Geld „Kitas, Schulen oder dem Bereich Innere Sicherheit“ weggenommen werden solle. Er verwies auf das Grundgesetz und sagte: „Eigentum verpflichtet. Daran orientieren sich die Abgaben im Kommunalabgabengesetz NRW.“
CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen verglich den Antrag der SPD sogar mit einer Forderung nach dem „Motto: Freibier für alle“ und warf der Partei vor, sie wisse nicht, worüber sie reden würde. Ein Brief vom Städte- und Gemeindebund sei eingegangen, worin Bürgermeister darum bäten, dass es beim jetzigen Kommunalabgabengesetz bleiben solle. Ob das daran liegt, dass sie befürchten, diese Gelder gingen ihnen verloren, hat er allerdings nicht gesagt. Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist wohl mit der CDU in NRW nicht zu machen. Deren Ziel ist zwar auch „eine Regelung, die Bürger entlastet und rechtsicher ist“. Aber darunter versteht sie etwas ganz anderes als die Bürger. Die CDU spricht für die Zukunft über flexible Zahlungsmodelle oder Rentenfall-Regelungen. Damit wähnt sie sich bei konkreten Lösungsansätzen – ganz im Unterschied zur SPD, die aus CDU-Sicht „der Komplexität“ des Themas nicht gerecht werde.
Ministerin Scharrenbach wies in ihrer Rede zunächst alle Unterstellungen zurück, die von Seiten der SPD und des Bundes der Steuerzahler gegenüber den Stadträten jüngst erhoben wurden, sie ließen kommunale Straßen absichtlich verfallen, um dann die Wiederherstellung bei den Anliegern abrechnen zu können. „Das wird auch den Stadträten nicht gerecht“, sagte sie. Nicht ganz zu Unrecht: es war ja die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA), die den Kommunal-Politikern über Jahre gepredigt hatte, sie sollten das Geld für die Instandhaltung der Straßen sparen. Und jetzt es auch wieder die GPA, die vorschlägt, den Beitrag für die Anlieger auf 80 Prozent zu heben. Und die GPA ist ihrem eigenen Ministerium unterstellt. Vielmehr will man darüber im Fachausschuss diskutieren, denn „wir wissen, dass es Unbill gibt im Zusammenhang“ mit den Straßenausbaubeiträgen, so die Ministerin. Hört, hört! .
Henning Höne, der kommunalpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, forderte für seine Fraktion ebenfalls eine Modernisierung des KAG, „die die Überforderung des Einzelnen“ künftig ausschließen soll. Dazu gehöre die frühzeitige Bürgerbeteiligung, der Rechtsanspruch auf Ratenzahlung, und die Senkung der Zinsen, die jetzt mit sechs Prozent jährlich zu Buche schlagen. Förderprogramme sollen künftig nicht mehr nur vom kommunalen Anteil abgezogen werden, sondern vom Gesamtbetrag. Noch in diesem Jahr wolle seine Partei Eckpunkte zur Gesetzesänderung vorlegen. Höne fragte die SPD allen Ernstes, wer denn die stetig steigenden Tiefbaukosten künftig stemmen solle, die binnen kürzester Zeit um 30 Prozent hochgeschnellt sind. Darüber stehe im Gesetzentwurf auch kein Wort. Ist doch schön, dass er daran gedacht hat. Denn die zahlen auch wir Anlieger jetzt und in Zukunft, so lange sich an diesem Gesetz nichts ändert.
Auch die Grünen sind nicht dabei, wenn die SPD die Anliegerbeiträge abschaffen will. Mehrdad Mostofizadeh von Bündnis 90/Die Grünen, konkretisierte Hönes Forderung nach Transparenz: ein „Info-Portal auf der Homepage jeder Gemeinde“ solle her, damit jeder Bürger genau weiß, wann er an der Reihe ist. Ansonsten wolle sich seine Partei zunächst mit der Materie auseinandersetzen, und eine gerechtere Lösung suchen. Seine Aussage „es kann ja sein, dass eine gerechte Lösung so kompliziert ist, dass wir auch zu dem Ergebnis kommen, eine andere Lösung müsste her“ ließ aber nur wenig Hoffnung.
Zum Ende der sehr lebhaften Debatte stand Stefan Kämmerling, kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, am Rednerpult. Er stellte sehr schön pointiert diese Frage: „Sind Ihre Abgeordneten von der CDU jetzt alle nicht bei dieser Debatte anwesend, weil sie draußen in den Gemeinden vor Ort genau das Gegenteil von dem verkünden, was ihre Vertreter hier heute im Plenum sagen?“ Diesen Eindruck, dass da eine Partei mit gespaltener Zunge spricht, konnte man in den vergangenen Monaten tatsächlich gewinnen. Kämmerling zitierte er aus dem Briefverkehr einer CDU-Abgeordneten mit einer Bürgerin. Die Bürgerin hatte sich demnach aufgrund einer hohen Rechnung ihrer Kommune für die Straßensanierung an sie gewandt. Die Empfehlung der CDU-Abgeordneten: die betroffene Bürgerin solle um Aufschub nachfragen, die CDU wolle gerade die Anliegerbeiträge abschaffen. Das hatte der Landesverkehrsminister, Hendrick Wüst CDU, jüngst anlässlich der Landesdelegiertenkonferenz der Mittelstandsvereinigung der CDU in NRW genauso gefordert: Anliegerbeiträge abschaffen und durch Landesmittel ersetzen. Dafür hat er heute von jeder Partei im Landtag Schelte gehört – außer von der eignen. Aber was heißt schon gehört? Er war genauso wenig anwesend, wie all die anderen Mitglieder des Kabinetts. Nur Frau Scharrenbach musste durchhalten.

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